Der Pariser Klimavertrag und die Rolle der Umweltverbände bei der Gestaltung der Umsetzungsbedingungen

Die Perspektive der Umweltverbände in der Normung

© 

Ein Klimaabkommen ohne die Einmischung der Zivilgesellschaft? Wollen wir das?
Die Zivilgesellschaft (das heißt insbesondere auch die Umweltverbände) mischt sich in in den letzten Jahren gezielt mit Blick auf das Zustandekommen und die spätere Umsetzung von internationalen Klimaabkommen ein.

Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Möglichkeit A: Druck von außen aufbauen!! (Demos, Kampagnen, Unterschriftensammlungen, Stellungnahmen durch Umweltverbände)
  • Möglichkeit B: Einmischen bei der internen Prozessausgestaltung (Einbringen und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Positionen bei den Umsetzungsbedingungen)

Das Zusammenspiel beider Möglichkeiten sollte als ein – sich wechselseitig unterstützender – Prozess verstanden werden.

Internationale Klimaverhandlungen: Umweltverbände sind keine offiziellen Akteure
Die Klimarahmenkonvention (UNFCCC), als entscheidende Institution zur Initiierung von internationalen Klimaabkommen, konzentriert sich auf die Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen auf der Ebene von Nationalstaaten.

Das bedeutet: In den internationalen Klimakonferenzen – den Conferences of the Parties (COPs) – handeln Regierungsdelegationen die Klimaabkommen sowie die Umsetzungsbedingungen aus.

Erarbeitung von Normen und Standards: Umweltverbände sind Akteure des Prozesses
Internationale Standards, die zur Konkretisierung der im Klimaabkommen von Paris beitragen können, werden unter anderem von der Internationalen Organisation für Standardisierung (kurz ISO) erarbeitet. Hier spielen vor allem die Standards zum sogenannten „Umweltmanagement“ – ISO 14000er Normenreihe – eine Rolle.

Die nationalen Normungsinstitutionen – wie zum Beispiel das deutsche DIN – sind Mitglieder bei ISO und stellen die Delegierten für die Mitarbeit in den entsprechenden Normungsgremien ab.

Das bedeutet: Internationale Standards werden nicht von Regierungsvertretern, sondern von Delegierten, die durch nationale Normungsinstitutionen gestellt werden, ausgehandelt. Bei diesen Delegierten kann es sich um VertreterInnen der Zivilgesellschaft beziehungsweise der Umweltverbände handeln.

Erarbeitung von Standards und Normen im Kontext von Klimaabkommen
Der internationale (ISO) und nationale (zum Beispiel DIN) Erarbeitungsprozess von Standards spielt zunächst für die Ausgestaltung internationaler Klimaabkommen im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) keine Rolle. Dies liegt einfach daran, dass UNFCCC und ISO von zwei unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen ausgehen. Allerdings zeichnen sich Veränderungen dieser Ausgangsbedingungen ab – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimaabkommens von Paris.

Zwei unterschiedliche „Welten“: Internationale Organisationen und deren Zuordnung
Mit Blick auf die grobe Einteilung von Internationalen Organisationen lassen sich zwei Typen von Organisationen unterscheiden. Und zwar:

  • Organisationen, die direkt dem System der Vereinten Nationen zuzuordnen sind (UN-bezogene Institutionen).
  • Organisationen, die nicht direkt in Verbindung mit beziehungsweise außerhalb des UN-Systems stehen.

Internationale Organisationen, die dem UN-System angehören
Die internationalen Klimaabkommen auf Basis der Klimarahmenkonvention (Stichwort: Kyoto-Protokoll, Paris-Abkommen) sind ein UN-getriebener Prozess. Bei einem UN-getriebenen Prozess steht der Interessensausgleich zwischen allen Ländern – im Sinne von Nationalstaaten – im Mittelpunkt der Aktivitäten. Bei UN-Organisationen – und UNFCCC gehört dazu – gilt in der Regel das Abstimmungsprinzip „One country one vote“.

Internationale Organisationen außerhalb des UN-Systems
In unserem Kontext zu beachtende internationale Organisationen, die nicht direkt zum UN-System gehören wie beispielsweise Weltbank, Weltwährungsfond, WTO, verfolgen eine andere „Philosophie“ und haben andere Abstimmungsprinzipien. Hier gilt das Abstimmungsprinzip „One Dollar one vote“.

Weltwährungsfond (IWF) und WTO orientieren sich an einer streng neoliberalen Umsetzungsphilosophie. Die Internationale Organisation für Standardisierung (ISO) ist eher diesem Typ von Internationalen Organisationen zuzurechnen.

Verstärktes Interesse an klimarelevanten ISO-Standards seit dem Paris-Abkommen
UNFCCC beziehungsweise das Sekretariat der Klimarahmenkonvention hat ein originäres Interesse an einheitlichen, transparenten und länderübergreifend anwendbaren Regeln im Zusammenhang mit der Umsetzung der Klimaabkommen und der Ausführung der COP-Beschlüsse. Derartige Regeln sind Standards. Und von UNFCCC werden auch Standards international vorgegeben. Allerdings eher im Kontext der nationalstaatlichen Anwendungsebene.

Beispiel: Erstellung länderspezifischer Inventare zur Erfassung von Treibhausgasemissionen nach einheitlichen von UNFCCC vorgegebenen Vorgaben und Überprüfungsregeln.

Vor dem Hintergrund des Paris-Abkommens gibt es ein zunehmendes Interesse seitens des Sekretariats der Klimarahmenkonvention, umsetzungsorientierte klimabezogene Standards unterhalb der nationalstaatlichen Ebene anzuwenden (zum Beispiel für Unternehmen beziehungsweise Organisationen aller Art).

Konsensprinzip und zivilgesellschaftliche Einbindung
Die Kernkompetenz von ISO liegt in der Erstellung von einheitlichen, länderübergreifenden Standards in Bezug auf Produkte, Prozesse und Verfahrensregeln – und zwar anwendbar von Organisationen aller Art. Ein Grundprinzip der nationalen und internationalen Standarderarbeitung ist die Konsensorientierung sowie die Beteiligung „interessierter Kreise“ (Stakeholderprinzip).

Das Konsensprinzip in der Normung bedeutet nicht „Einstimmigkeit“. Ein Konsens zwischen den „interessierten Kreisen“ ist möglichst anzustreben. Es kann aber auch zu Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip kommen.

Mit Blick auf das Stakeholderprinzip ist anzumerken, dass die Mitarbeit der Umweltverbände in einem langwierigen und mühsamen Prozess „erkämpft“ wurde. Der zivilgesellschaftliche „Druck von außen“ hat hier sehr geholfen.

Erfassung und Berichterstattung zu Treibhausgasen und deren Reduzierung muss transparent sein
In den letzten Jahren hat die Erarbeitung von klimaschutzrelevanten Internationalen Standards spürbar zugenommen. Ein zentraler Normungsausschuss auf der internationalen Ebene ist der ISO-Ausschuss „Environmental Management“. Hier werden branchenübergreifende Umweltmanagement-Standards zur Anwendung für Unternehmen und Organisationen erarbeitet. International bekannt als ISO 14000 Normenserie.

Dieser Normenausschuss ist mittlerweile zum größten Ausschuss innerhalb der Internationalen Organisation für Standardisierung avanciert.

Beispiel: Ein wichtiger Internationaler Standard im Kontext der aktuellen Klimaschutz-Diskussion ist der Standard zur „Erfassung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen von Organisationen“ die ISO 14064-1. Die deutschen Umweltverbände haben sich an dem Erarbeitungsprozess zu dieser Norm beteiligt.

Verstärkte Kooperation
Seit Anfang 2015 gibt es eine verstärkte und gezielte Kooperation zwischen ISO und UNFCCC auf dem Gebiet der Erarbeitung und Weiterentwicklung von klimarelevanten internationalen Standards.
Verantwortlich auf der ISO-Seite ist hier Normungsausschuss „Greenhouse Gas Management and Related Activities“ ein Unterausschuss der ISO 14000er-Serie.

Klimaabkommen von Paris: Der Anfang ist gemacht!
Aber: Die Ansätze zur transparenten Umsetzung müssen noch auf den Weg gebracht werden. Im Artikel 13 des Paris-Abkommens ist die Rede von „Umweltintegrität, Transparenz, Genauigkeit, Vollständigkeit, Vergleichbarkeit sowie Konsistenz“, wenn es um die „national festgelegten Beiträge“ zum Klimaschutz geht. Dies ist ein „Einfallstor“ für eine verstärkte Kooperation zwischen UNFCCC und ISO.

Die Mitarbeiter_innen des Sekretariats der Klimarahmenkonvention beteiligen sich jedenfalls aktiv im ISO-Ausschuss „Greenhouse Gas Management and Related Activities“. Die ebenfalls in diesem Ausschuss vertretenen deutschen Umweltverbände (hier NaturFreunde Deutschlands) in der Normung unterstützen diesen Prozess ausdrücklich.

Joachim Nibbe, Bundesfachbeirat „Umweltschutz und Normung“
Der Vortrag wurde im Rahmen der Herbsttagung des Bundesfachbeirats Naturschutz, Umwelt, Sanfter Tourismus (NUST) der Naturfreunde Deutschlands e. V. vom 23. vom 25. September 2016 in Eschwege gehalten.